Von den Glücks-Spitzen

der Spitz vor 120 Jahren

Diese Beschreibung ist ca. 120 Jahre alt:

Was der Schäferhund für die Herden, ist der Spitz oder Pommern für das Haus. Klein oder höchstens mittelgroß, kräftig und untersetzt, spitzköpfig und spitzschnautzig, als müßte man auf Reineke den Verdacht der Vaterschaft werfen, kurzbeinig und langschwänzig, ausgerüstet mit mäßig großen Ohren und eben solchen klugen und lebhaften Augen, dicht eingehüllt in ein bald grobes und langes, bald feines und kurzes Fell von rein weißer, gelber, fuchsroter, grauer, ausnahmsweise auch schwarzer Färbung, höchstens noch mit lichter Stirnblesse und weißen Abzeichen an den Füßen, tritt er uns entgegen, so daß man ihn schwerlich verkennen kann.

Dieser in seiner Art ganz vortreffliche Hund wird in vielen Gegenden Deutschlands als Wächter auf Bauernhöfen zum Bewachen des Hauses und Hofes oder von Fuhrleuten als Hüter ihrer Wagen benutzt. Bei letzterem fehlt er wohl selten und übernimmt hier zugleich noch eine andere Rolle: er erheitert und erfreut durch sein munteres Wesen den in gleichmäßiger Weise seinen Tag verbringenden Mann bei seinem schwierigen Geschäfte. Der Pommer gilt für die beste Rasse, weil er bei unwandelbarer Treue und Anhänglichkeit besonders aufmerksam und lebhaft ist, dabei weder Regen noch Kälte scheut, ja gewöhnlich im Hause oder Hofe dort am liebsten zu liegen pflegt, wo der Wind am stärksten pfeift. Übrigens zeigen alle Spitze einen großen Hang zur Freiheit und taugen deshalb nicht als Kettenhunde, während sie als umherstreifende Wächter ihrer Treue und Unbestechlichkeit wegen unersetzbar sind.

An seinem Wesen und Betragen unterscheidet sich der Spitz wesentlich vom Schäferhunde. Abgesehen von der unermüdlichen Wachsamkeit, welche beide mit gleichem Eifer ausüben, und seiner Freundschaft gegen Haustiere ist er das gerade Gegenteil von diesem, immer in Bewegung, soviel wie möglich laut, ein oft höchst unangenehmer Kläffer sogar, heftig, reizbar und bissig. Weder im Gehöft noch auf dem Wagen kann er in Ruhe bleiben.

Dort lockt ihn jeder Vorübergehende an die Straßentür, jedes ängstlich gackernde Huhn in den Hintergarten, hier setzt er mit geschickten Sprüngen von der Ladung auf den Bock, vom Bocke auf den Rücken des Pferdes, oder aber herab auf die Straße und von dieser wieder auf den Wagen.

Wie der Schäferhund liebt er Haustiere ganz ungemein, am meisten aber doch die Pferde, mit denen er sich förmlich verbrüdert, wie seinen Verwandten geht ihm das Wohl und Wehe seiner Pflegebefohlenen, unter welche er selbst das Federvieh rechnet, sehr zu Herzen: aber während jener seine Arbeit still und gemessen verrichtet, tobt er ununterbrochen im Hause und Hofe umher, und sein beständiges Gebell gewinnt den Anschein des Reisens eines ewig schlecht gelaunten Wesens. Alles Mißtrauen, welches er gegen Fremde jeden Standes an den Tag legt, wurzelt einzig und allein in dem Bestreben, seinem Gebieter voller Hingabe zu dienen. Zunächst sieht er in jedem Geschöpfe einen Dieb, mindestens einen Lästigen oder Störenfried, dem gegenüber er Haus und Hof, Vieh und Gerät zu verteidigen hat. Der Besuchende wird übel empfangen, der Handwerksbursche nicht viel schlimmer, der Bettler kaum mit größerem Ingrimm. Aber während er ersteren, sobald er ins Haus getreten, freundlich begegnet, knurrt er den Handwerksburschen noch an, nachdem er sich von dessen Ungefährlichkeit überzeugen mußte, und verfolgt er den Bettler noch bellend, nachdem dieser bereits Haus und Hof verlassen hat. 2 und 4 beinige, behaarte wie gefiederte Räuber und Diebe mögen sich vor dem Spitz in Acht nehmen, gegen sie ist er mit Bewußtsein heftig, zornwütig, unerbittlich. Er verbeißt sich, und ob es ihm das Leben kosten möge, in der Wade des Diebes, kämpft ingrimmig mit dem Fuchse.