Die Geschichte der Kastration des Rüden ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Noch immer hält sich bei vielen Tierärzten, Trainern und Hundehaltern hartnäckig der Glaube daran, dass die Kastration ein chirurgisches Wundermittel bei unterschiedlichsten Verhaltensproblemen darstellt. Doch eine Kastration kann niemals eine vernünftige Verhaltenstherapie ersetzen, und viele Probleme, die mit den Sexualhormonen – in diesem Fall mit dem Testosteron – in Verbindung gebracht werden, stammen aus völlig anderen Funktionskreisen und lassen sich durch eine Kastration überhaupt nicht beeinflussen, wie Tierärztin Sophie Strodtbeck und Verhaltensbiologe Dr. Udo Gansloßer betonen.
Im Folgenden versuchen die Autoren eine Entscheidungshilfe pro oder kontra Kastration zu geben.
Vorausgesetzt werden muss, dass der § 6 des deutschen Tierschutzgesetzes eindeutig das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres verbietet. Ausnahmen gibt es, wenn eindeutige medizinische Indikationen vorliegen, über die an dieser Stelle auch nicht diskutiert werden soll. Im österreichischen Tierschutzgesetz sind lt. § 7(2) Eingriffe zur Verhütung der Fortpflanzung ausdrücklich zulässig.
Eine unerwünschte Fortpflanzung kann auch durch eine Sterilisation, also durch eine Durchtrennung der Samenleiter, zuverlässig erreicht wer-
den, dabei wird nicht in den Hormonhaushalt eingegriffen und es sind keine Nebenwirkungen zu erwarten.
Frühkastrationen
Kategorisch muss aber in jedem Fall die Praxis der Frühkastration abgelehnt werden. Von einer Frühkastration spricht man, wenn bereits vor Abklingen der Pubertät kastriert wird. Dieser Trend schwappt leider, vor allem bei der Hündin, aber zunehmend auch beim Rüden, aus den USA, wo diese Praxis an der Tagesordnung ist, zu uns herüber. Hierbei entstehen nur negative Folgen für die Hunde: die betroffenen Tiere werden aggressiver gegenüber gleichgeschlechtlichen Artgenossen und insgesamt unsicherer, nicht nur gegenüber anderen Hunden. Sie bleiben in der körperlichen Entwicklung zurück und werden nie richtig erwachsen, da ihre geistige Leistungsfähigkeit nicht voll ausgereift ist. Das liegt daran, dass sich das Gehirn unter dem Einfluss der Sexualhormone in der Pubertät nochmals weiterentwickelt.
Gründe für Kastrationen
Wie eine Befragung der Hundehalter im Rahmen der „Bielefelder Kastrationsstudie“ (Niepel, 2007) ergab, stellt unerwünschtes Verhalten den häufigsten Grund für eine Kastration dar (74%), gefolgt von 30% der Befragten, die Haltergründe, also bspw. das Zusammenleben von Hündin und Rüde in einem Haushalt angaben. Nur bei 21% der Hundehalter spielten medizinische Überlegungen eine Rolle. (Da auch Mehrfachnennungen möglich waren, ergeben sich insgesamt über 100%).
Aggression ist nicht gleich Aggression
Sehr weit verbreitet ist immer noch der Glaube, dass man durch eine Kastration Aggressionsverhalten beseitigen kann. Dies ist allerdings nur in ganz seltenen Fällen gegeben und bedarf einer genauen und differenzierten Analyse des gezeigten Verhaltens, da es „das Aggressionsverhalten“ per se nicht gibt. Aggression ist vielmehr ein Mehrzweckverhalten, das immer mit der Beseitigung störender oder als gefährlich eingestufter Umwelteinflüsse im Zusammenhang steht.
Angstaggression
Eine sehr häufig auftretende Form der Aggression stellt die Angstaggression dar. Bei dieser ist eine Kastration völlig kontraindiziert und wird das Problem deutlich verschärfen. Der Grund hierfür ist, dass Panik- und Angstreaktionen, die durch einen, auch befürchteten, Kontrollverlust oder das Erwarten einer gefährlichen Situation seitens des Tieres entstehen, unter der Kontrolle des Stresshormons Cortisol aus der Nebennierenrinde stehen. Das männliche Sexualhormon Testosteron hemmt die Cortisolausschüttung, wirkt dadurch angstlösend und steigert das Selbstbewusstsein. Durch die Wegnahme der Sexualhormone macht man diese Tiere noch unsicherer, was zu einer Verschlimmerung des gezeigten Verhaltens führt. Eine Kastration ist hier also absolut kontraindiziert.
Die geschilderten Zusammenhänge stellen natürlich die gängige Praxis, Tierheimhunde generell zu kastrieren, in Frage, da diese Hunde ja durch eine komplette Änderung der Lebensumstände und -umgebung schon per se gestresst sind. Diese tiefgreifende Entscheidung sollte also nur nach gründlicher Einzelfallbeurteilung und unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Hundes getroffen werden.
Sicherheit geben statt Testosteron nehmen
Genauso wie die Angstaggression steht die Futterverteidigung unter dem Einfluss des Stresshormons Cortisol und hat keinerlei Beziehung zu den Sexualhormonen.
Die sogenannte Selbstverteidigungsaggression hingegen wird durch die Hormone und Botenstoffe Adrenalin und Noradrenalin aus der Nebenniere geregelt. Problematisch für den Hundehalter ist, dass gerade ein als Problemlösung erprobtes Verhalten vor allem in Furcht einflößenden Situationen sehr schnell gelernt und als Problemlösungsstrategie abgespeichert wird. Auch bei diesem „Lernen am Erfolg“ hat das erwähnte Noradrenalin seine Finger im Spiel, Sexualhormone sind auch hier nicht beteiligt.
Einzig sinnvolle Maßnahme ist hier ein individuelles Verhaltenstraining, einhergehend mit einer Verbesserung der Führungskompetenz des Halters. Besonders diesen Hunden muss Sicherheit gegeben und nicht Testosteron genommen werden.
Jungtierverteidigung und Infantizid (Kindstötung)
Verantwortlich hierfür ist das sogenannte „Elternhormon“ Prolaktin, dessen Konzentration nachgewiesenermaßen auch bei männlichen Tieren in Anwesenheit von Jungtieren oder Kindern in der Familie, oder bei Schwangerschaft der Halterin, ansteigt. Der biologische Auftrag des Prolaktins ist es, dafür Sorge zu tragen, dass Welpen und Kinder der eigenen Familie (auch von männlichen Tieren) verteidigt und betreut werden. Die Folge ist nicht nur eine aggressive Verteidigung der Individualdistanz zur schwangeren Halterin, oder einer sonstigen schwangeren Bezugsperson, sondern gleichzeitig oft auch eine deutliche Unfreundlichkeit gegenüber fremden Kindern, bzw. Junghunden. Dieses Verhalten wurde auch bei kastrierten Tieren nachgewiesen. Zusätzlich ist, zumindest beim Wolf, auch ein saisonal bedingter Prolaktinanstieg bekannt. Da hohe Testosteronspiegel wiederum den An-stieg von Prolaktin hemmen, ist auch bei dieser Problematik eindeutig von einer Kastration des Rüden abzuraten.
Partnerschutzverhalten
Das Partnerschutzverhalten wird durch das „Eifersuchtshormon“ Vasopressin ausgelöst, das dafür sorgt, dass der Halter, bzw. beim Hunderüden speziell die Halterin, verteidigt wird. Besonders in der Frühphase einer Beziehungsneubildung spielt es gemeinsam mit dem Bindungshormon Oxytocin eine wichtige Rolle, indem unbeteiligte Dritte ferngehalten werden. Aber auch generell sind diese beiden Hormone an der Regelung sozialer Beziehungen beteiligt. Auch dieses Hormonsystem lässt sich durch eine Kastration nicht beeinflussen.
Echte Status- und Wettbewerbsaggression
Anders ist die Situation bei einer echten Status- oder Wettbewerbsaggression oder auch bei einer territorialen Aggression. Hier könnte die Kastration eine Verbesserung der Problematik bewirken – allerdings nur dann, wenn das gezeigte Verhalten wirklich hormongesteuert und noch nicht erlernt ist. Jedoch ist bei vielen Tierarten (z.B. Pferden und Affen) erwiesen, dass der Testosteronspiegel nach der Rangverbesserung ansteigt, d.h. erst werden Aggressionen gezeigt, dann steigt die Konzentration der Sexualhormone. Dies widerlegt die These „viel Testosteron = viele Rangordnungskämpfe“.
Die Sache mit der Dominanz …
Immer wieder ist vom „Dominanzverhalten“ die Rede, welches die Wurzel allen Übels sei, und das nur zu oft als Indikation für eine Kastration herhalten muss. Dominanz ist aber keine Eigenschaft, sondern eine Beziehung, und zwar eine, die von unten nach oben stabilisiert und nicht andersrum von oben nach unten „durchgeboxt“ wird. Ein wirklich als dominant anerkanntes Tier ist souverän und hat keine Aggression nötig. Einem dominanten Tier werden freiwillig Privilegien zugestanden, sprich, es kann jederzeit seine Interessen ohne den Einsatz von Gewalt gegen den Anderen durchsetzen. Das oft als Dominanz bezeichnete Verhalten hat also nichts mit einem Dominanzstreben des Hundes zu tun, sondern spiegelt in den meisten Fällen einen mangelnden Führungsanspruch bzw. mangelnde Führungskompetenz des Halters wider. Dass hier eine Kastration keine Abhilfe schaffen kann, muss wohl nicht extra erwähnt werden.
Streunen und Jagdverhalten
Einen weiteren Grund für eine Kastration stellt oft das Streunen bzw. das Jagdverhalten dar. Richtig ist zwar, dass beim männlichen Säugetier die Tendenz, größere Streifgebiete zu nutzen, diese zu markieren und zu kontrollieren, unter dem Einfluss der Sexualhormone im Gehirn angelegt wird, allerdings geschieht das schon vor der Geburt und lässt sich danach kaum mehr beeinflussen.
Etwas anderes ist das Streunen in Anwesenheit läufiger Hündinnen, das tatsächlich sexuell motiviert ist und durch eine Kastration gegebenenfalls beeinflusst werden kann.
Das Jagd- und Beutefangverhalten des Caniden wird durch sehr einfache Reize ausgelöst: Ein sich schnell vom Tier weg bewegendes Objekt löst eine Verfolgung, bzw. Beutefangverhalten aus, auch dies hat nichts mit den Sexualhormonen zu tun.
Hypersexualität
Bei der sogenannten Hypersexualität des Rüden muss klar differenziert werden, aus welchem Verhaltenskreis sie entspringt. Aufreiten hat sehr oft gar nichts mit dem Sexualverhalten zu tun. Häufig ist es einfach eine Übersprungshandlung, oder es handelt sich um eine Bewegungstereotypie, die dem Stressabbau dient. Wird das Verhalten zwischen mehreren Hunden einer etablierten Gruppe gezeigt, handelt es sich meist um Spiel.
Auch sollte bei der Entscheidung pro oder kontra Kastration aus diesem Grund beachtet werden, dass auch kastrierte Rüden in Anwesenheit einer läufigen Hündin oft noch komplettes Paarungsverhalten inklusive Hängen zeigen, und das auch noch jahrelang nach der Kastration. Das liegt daran, dass bei sexuellen Aktivitäten der Glücksbotenstoff Dopamin ausgeschüttet wird, dessen selbstbelohnende Wirkung nachgewiesen ist. Dopamin spielt übrigens auch beim Menschen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Suchterkrankungen.
Nur wenn es sich tatsächlich um sexuell motiviertes Verhalten handelt, ist eine Kastration eventuell in Erwägung zu ziehen – aber dies sollte unbedingt im Vorfeld mit professioneller Hilfe durch genaue Analyse der auftretenden Situationen geklärt werden!
Einzelfallentscheidung
Nach der Lektüre dieses Artikels sollte klar sein, dass sich eine Kastrationsempfehlung nicht pauschal aussprechen lässt, sondern immer die Ursachen der Verhaltensauffälligkeiten genauestens analysiert werden sollten, um die gezeigte Problematik nicht weiter zu verschärfen.
In Einzelfällen, wie etwa beim Herumstreunen bei Anwesenheit läufiger Hündinnen, bei einer echten, durch Sexualhormone ausgelösten Hypersexualität, oder bei einer echten statusbedingten Aggression, kann die Entscheidung für eine Kastration richtig sein und eine Verbesserung der Problematik mit sich bringen, aber auch nur dann, wenn das gezeigte Verhalten durch Sexualhormone gesteuert wird und noch nicht erlernt ist. Auf gar keinen Fall aber kann eine Kastration eine Verhaltenstherapie ersetzen oder gar als Allheilmittel gesehen werden.
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Bei einer Kastration werden die Keimdrüsen des Hundes operativ entfernt. Beim Rüden werden dabei die Hoden entfernt, bei der Hündin die Eierstöcke, manchmal auch die Gebärmutter. Eine Kastration macht einen Hund unwiderruflich unfruchtbar. Da die Keimdrüsen entfernt werden, werden auch (fast) keine Sexualhormone mehr gebildet. Somit werden auch alle (und nur die) Verhaltensweisen unterbunden die mit den Sexualhormonen in Verbindung stehen!
Kastration der Hündin
Viele Menschen glauben heute noch, das Hündinnen sterilisiert und Rüden kastriert werden, das stimmt so nicht. Üblicherweise werden beide Geschlechter kastriert. Die häufigsten Gründe für die Kastration der Hündin sind unter anderem die Verhinderung ungewollter Trächtigkeiten.
Auch um bestimmten Tumorarten und Entzündungen der Gebärmutter vorzubeugen, wird kastriert. Dazu muss aber gesagt werden, dass die Verminderung von Mammatumoren (Gesäugetumoren) nur dann gegeben ist, wenn rechtzeitig kastriert wurde! Nach der zweiten Läufigkeit hat eine Kastration keinen nennenswerten Einfluss mehr auf das Risiko. Eine Kastration der Hündin vor der zweiten Läufigkeit vermindert das Risiko von Gesäugetumoren. Eine Kastration vor der ersten Läufigkeit verringert das Risiko auf ein Minimum. Eine so frühe Kastration bringt aber sehr viele Nachteile für den Hund. Wird vor der ersten Läufigkeit kastriert, ist der Hund sowohl körperlich als auch geistig noch nicht ausgereift. Der Reifeprozess wird gestoppt bzw. gestört. Frühkastrierte Tiere sind oft kleiner und haben Entwicklungsstörungen. Auch geistig bleiben sie meist auf dem Niveau eines Junghundes stehen. Von einer Frühkastration wird eher abgeraten.
Eine Kastration sollte nie leichtfertig vorgenommen werden. Man muss sich bewusst sein, dass es sich dabei um einen operativen Eingriff unter Vollnarkose handelt. Eine Narkose birgt auch heute noch ein Risiko, wenn auch ein geringes. Dass die Läufigkeit der Hündin einem „zu anstrengend“ ist, ist also kein Grund, seiner Hündin so eine Operation zu unterziehen.
Vorteile: Eine kastrierte Hündin wird nicht mehr läufig und zieht so auch keine Rüden mehr an. Keine ungewollten Trächtigkeiten. Die Gefahr von Scheinträchtigkeiten wird eliminiert. Das Risiko für bestimmte Tumore kann verringert werden.
Nachteile: Es bleibt eine Operation mit Narkoserisiko. Für den Hund unangenehme Genesungszeit. Eingriff in den natürlichen Hormonhaushalt. Eventuelle Veränderung des Fells, vor allem bei langhaarigen Hunden. Veränderung des Stoffwechsels, was dazu führen kann, dass einige kastrierte Tiere schneller zunehmen. Geringe Verhaltensänderungen.
Kastration des Rüden
Häufige Gründe für die Kastration von Rüden sind der Irrglaube, Rüden damit umgänglicher machen zu können, aber auch zur Verhinderung ungewollter Trächtigkeiten. Ein Rüde mit Erziehungsproblemen wird auch nach der Kastration weiter Probleme machen! Gegen Erziehungsprobleme hilft nur richtige und konsequente Erziehung, aber keine Kastration. Es ändert sich nur das Verhalten, welches mit den Geschlechtshormonen in Verbindung steht. So wird ein kastrierter Rüde zum Beispiel nicht versuchen, aus dem Grundstück auszubrechen, um zu einer Hündin zu gelangen. Aggressionen gegen andere Rüden, die durch den Geschlechtstrieb motiviert sind, können sich ändern!
Vorteile: Der Rüde kann keine Hündinnen mehr decken und es kommt zu keinen ungewollten Trächtigkeiten. Kein Jaulen und Bellen mehr, wenn läufige Hündinnen in der Nähe sind. Vorbeugung gegen Hodenkrebs.
Nachteile: Operation mit Narkoserisiko. Für den Hund unangenehme Genesungszeit. Eingriff in den natürlichen Hormonhaushalt. Eventuelle Veränderung des Fells. Veränderung des Stoffwechsels, was dazu führen kann, dass einige kastrierte Tiere schneller zunehmen. Verhaltensänderungen. Kastrierte Rüden werden von ihren unkastrierten Geschlechtsgenossen oft nicht mehr als Rüden wahrgenommen. Es kann zu „mobbing“ bis hin zum Aufreiten kommen, was wiederum zu Streit führen kann.
Unterschied zwischen Kastration und Sterilisation: Bei einer Sterilisation werden nur Samenstrang oder Eileiter durchtrennt. Die Keimdrüsen bleiben, im Gegensatz zu Kastration, erhalten. Sterilisierte Hunde können sich nicht mehr fortpflanzen, Sexualhormone werden jedoch weiter gebildet. Eine Sterilisation hat also außer dem Beenden der Fruchtbarkeit keinen Einfluss auf das Verhalten oder die Körperentwicklung.
Quelle: http://www.hundeseite.de/hundewissen/hundewissen-gesundheit/kastration-beim-hund.html
Gesetzliche Grundlagen
Beitrag vom 2.6.2013 von Antje Grzeschiczek im Forum-Deutscher-Spitz:
„Kastration ist in den überwiegenden Fällen sog. „Pet Design“ mittels Skalpell. So wie in den USA Hunden auch die Stimmbänder durchtrennt werden oder Katzen die Krallen gezogen. Und zumindest bei Hündinnen wird dann meist ganz lahm mit dem Argument des verringerten Risikos der Mamatumorbildung daher gekommen. Was Tierärzte auch ganz gerne so „verkaufen“, denn zum einen verdienen sie direkt an der Kastration, zum anderen werden gerade Hündinenn anschließend nicht selten Dauerpatient bei ihnen. „Kundenbindung“ nennt man so etwas, an pumperlgesunden Hunden können Tierärzte schließlich kaum etwas verdienen…Es gibt viele mögliche Folgeschäden einer derartigen Hormonveränderung im Körper, die nur von sehr ehrlichen Tierärzten mit der Kastration in Zusammenhang gebracht werden. So ist es zwar durchaus richtig, dass eine Kastration vor der ersten Läufigkeit das Risiko in Bezug auf Mamatumore verringern kann. Wobei Mamatumore in vielen Fällen aber gut operabel sind und zudem ein entsprechender genetischer Background die größte Rolle spielt. War die Hündin zur Zeit der Kastration aber bereits einmal läufig, dann sinkt diese Schutzwirkung bereits erheblich, und war sie bereits zweimal läufig, dann hat die Kastration in Bezug auf die Verringerung des Mamatumorrisikos überhaupt keinen Einfluss mehr.
Aber durch Kastration steigt die Gefahr, an anderen Tumorarten zu erkranken. Z.B. ist bekannt, dass kastrierte Rüden drei- bis viermal häufiger an Prostatatumoren erkranken als unkastrierte Rüden. Dafür nimmt bei ihnen das Risiko, an Perianaltumoren zu erkranken, nach einer Kastration ab. Bei kastrierten Hündinnen hingegen steigt das Risiko für diese Perianaltumore. Bei ihnen steigt z.B. auch das Risiko, an Herztumoren zu erkranken, nach einer Kastration um das Vierfache an. Auch Milz- und Knochenkrebs tritt bei kastrierten Hunden häufiger auf als bei unkastrierten Hunden. Insofern relativiert sich das Argument, dass eine Frühkastration das Krebsrisiko senkt, doch erheblich.
Weitere kastrationsbedingte gesundheitliche Nachteile betreffen den Bewegungsapparat. So hat eine Studie an Boxern ergeben, dass frühkastrierte Hunde ein anderthalbfach höheres Risiko besitzen, an HD zu erkranken. Andere Statistiken zeigen, dass kastrierte Hunde doppelt so häufig Kreuzbandrisse haben wie hormonell intakte Hunde. Davon sind auch Hündinnen betroffen, häufiger aber Rüden.
Hinzu kommen noch die bekannteren Folgeschäden wie Harninkontinenz (die gerade bei frühkastrierten Hündinnen besonders stark werden kann), „Welpen“fell, Läufigkeitsgeruch bei Rüden etc., die man inzwischen schon eher mit der Kastration in Verbindung bringt. Aber welcher Tierarzt sagt einem denn ehrlich, dass auch ein Bänderriss oder eine Arthrose im Hüftgelenk eine Folge der Kastration sein kann?
Und das sind jetzt nur einige rein medizinische Auswirkungen, die durch massive Hormonveränderungen im Körper stattfinden können. Testosterone und Östrogene besitzen sehr vielfältige Aufgaben im Organismus, die sich nicht nur auf die Geschlechtsorgane beziehen. Sie stehen auch in engem Zusammenhang mit anderen Hormonen, z.B. dem Cortisol.
Gerade die Frühkastration ist bedenklich. Denn die Pubertät ist ein äußerst wichtiger Entwicklungsschritt im Leben eines Hundes, der nun mal hormongesteuert ist. Frühkindliche Nervenbahnen sterben ab und werden durch andere ersetzt. Z.B. wird die Schilddrüse in dieser Zeit durch den Anstieg der Sexualhormone aktiviert. Die Ausschüttung der Sexualhormone bewirkt u.a die Beendigung des Längenwachstumes der Röhrenknochen. Frühkastrierte Säugetiere (vor allem die männlichen) neigen deswegen häufig zu einem übermässigen Größenwachstum, worauf sich vermutlich die vermehrten Probleme mit dem Skelettapparat erklären lassen. Auch entwickelt sich deren Musklulatur schlechter als die von hormonell intakten Tieren (Bodybuilder schlucken nicht umsonst Hormone…). Und wenn eine frühkastrierte Hündin eine juvenile Scheidenentzündung hatte, wird sie die ihr ganzes Leben lang nicht wieder los.
Ganz wichtig ist aber der Einfluss der Geschlechtsorgane für den Aufbau neuer, belastbarerer Nervenbahnen während der Pubertät.
Bei einem Hund, der nur zum Streicheln und auf dem Schoß Hocken gehalten wird, mag das alles nicht so auffällig sein. Bei Arbeitshunden hingegen, die körperlich und geistig völlig fit sein müssen, sieht die Sache schon ganz anders aus. Da werden z.B. Schäden am Bewegungsapparat schonungslos aufgedeckt. Natürlich gibt es auch hin und wieder auch einen kastrierten Diensthund. Aber bei dem lag i.d.R. eine medizinische Indikation dafür vor. Und vor allem wurde er nicht frühkastriert! Ich kenne keine Diensthundeschule, die einen bereits kastrierten Hund ankaufen würde (angekauft wird i.d.R. im Alter zwischen einem und drei Jahren). Auch bei Service Dogs (z.B. Blindenführhunden) ist man aus den genannten Gründen von der Frühkastration wieder abgekommen.
Natürlich gibt es gute Gründe für eine Kastration. Und dann ist sie auch notwendig. Aber der tatsächliche Beweggrund der Hundehalter liegt doch in über 90% in ihrer Bequemlichkeit, oder weil sie unvernünftig waren (= sich zu einem bereits vorhandenen Rüden eine Hündin geholt haben oder umgekehrt, ohne die Voraussetzungen dafür zu besitzen die Hunde während der Läufigkeit der Hündin vernünftig beaufsichtigen/trennen zu können). Und wenn es mir als Hundehalter wirklich nur um die Verhinderung der Fortpflanzung geht, gibt es immer noch die Möglichkeit der Sterilisation bei Rüde und/oder Hündin. Die verhindert die Fortpflanzung wirkungsvoll, aber ich hab halt immer noch die Sauerei auf dem Teppich, und mein nicht erzogener Rüde haut mir weiterhin ab, wenn er irgendwo eine läufige Hündin riecht…“
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Mit freundlicher Genehmigung des Autors möchte ich hier auf einen ganz aktuellen Artikel des Tierarztes Ralph Rückert verweisen:
Die Kastration beim Hund – ein Paradigmenwechsel
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Für die Rasse Spitz möchte ich zusätzlich noch zu bedenken geben: Wo es inzwischen nur noch derart wenige Vertreter der Groß- und Mittelspitze gibt, sollte man es sich mindestens drei Mal überlegen, ob man seinen Spitz kastrieren lässt! Sicher sind nicht alle Tiere für die Zucht geeignet; aber wenn einem die Rasse ans Herz gewachsen ist, findet man sich doch vielleicht bereit dazu, sich für den eigenen Hund um eine Zuchtzulassung zu bemühen, und dann mit wenigen ganz gezielten Verpaarungen den Fortbestand der Rasse sichern zu helfen. (Rote Liste) Claudia Götting